Aktionismus
Die Wissenschaft erforscht die Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der Materie. Das ist gleichzeitig der Lösungsraum, in dem sie nach Lösungen für Probleme sucht. Wenn die Wissenschaft eine materielle Gesetzmäßigkeit gefunden hat, die sie mit der Lösung eines Problems in Verbindung bringt, dann geht sie vollkommen selbstverständlich davon aus, dass der Mensch diese Gesetzmäßigkeit mit seinem Verhalten auch anwenden wird. Der Verstand ist vollkommen davon überzeugt, dass rationale Richtigkeit das Verhalten bestimmt.
Das wissenschaftliche Modell der Realität ist unvollständig. Es fehlt die Entstehung des Verhaltens, das wissenschaftliche Erkenntnisse in Form materieller Gesetzmäßigkeiten anwenden soll. Eine Gesetzmäßigkeit anzuwenden bedeutet, die Bedingung zu erfüllen, um die Konsequenz zu bekommen. Um eine materielle Gesetzmäßigkeit anzuwenden
- muss das Bewusstsein den Körper in Bewegung setzen
- und das körperliche Verhalten muss mit der Materie interagieren.

Das Verhalten des menschlichen Körpers teilt sich in
- das von der Psyche gesteuerte Verhalten und
- die automatischen Körperfunktionen.
Im grafischen Modell oben steht das Bild des Körpers nur für das von der Psyche gesteuerte körperliche Verhalten. Die automatischen Körperfunktionen sind Teil der materiellen Welt. Wenn wir zum Beispiel etwas essen, dann interagiert das Essverhalten mit dem Stoffwechsel des Körpers:
- Das Essverhalten zählt zum von der Psyche gesteuerten körperlichen Verhalten, welches in der Grafik durch den Körper symbolisiert wird.
- Die Stoffwechselfunktionen sind der materiellen Umwelt (in der Grafik das Bild der Weltkugel) zuzuordnen.
Diese Unterscheidung ergibt sich aus dem unterschiedlichen Einfluss, den das Bewusstsein auf beide Arten von Verhalten hat:
- Das Bewusstsein kann das körperliche Verhalten in einem gewissen Rahmen ganz unmittelbar durch die Ausrichtung seiner Aufmerksamkeit steuern.
- Die automatischen Körperfunktionen hingegen laufen - wie der Name schon sagt - automatisch ab. Und dennoch übt das Bewusstsein auch auf sie einen Einfluss aus: Es lenkt unmittelbar den nicht-gesetzmäßigen Verhaltensanteil und beeinflusst langfristig die Entwicklung der Gesetzmäßigkeiten.
Die Entwicklung der automatischen Körperfunktionen bestimmt, ob sich der Verhaltenspielraum der Psyche erweitert oder einengt.
Betrachten wir dazu das Beispiel "Übergewicht und Diät":
Die rationale Lösung für das Problem "Übergewicht" ist eine mit dem Stoffwechsel des Körpers verbundene materielle Gesetzmäßigkeit:
- Wird über die Nahrung mehr Energie aufgenommen, als der Körper braucht, dann nimmt das Gewicht zu.
- Wird über die Nahrung weniger Energie aufgenommen, als der Körper braucht, dann nimmt das Gewicht ab.
Um Übergewicht zu reduzieren, muss deshalb weniger gegessen werden, damit der Körper seinen Energiebedarf zum Teil aus den Fettreserven des Körpers deckt.
Normalerweise regelt der natürliche Appetit des Körpers die Nahrungsaufnahme. Der Körper steuert über seinen Appetit
- was er braucht und
- wie viel er braucht.
Wenn es in der Psyche aber einen Mangel an Erfüllung gibt, dann wird der natürliche Appetit durch den Drang nach Ersatzbefriedigung verfälscht. Essen wird teilweise zu einer Sucht.
Um das Problem "Übergewicht" zu lösen, müsste eigentlich die Ursache abgestellt werden und das ist der Mangel an Erfüllung. Ein Mangel an Erfüllung kann nur beseitigt werden, indem das Verhalten wieder dem natürlichen auf das Bewusstsein wirkenden Potential folgt. Eine Diät hingegen versucht die mit der Nahrung aufgenommene Energiemenge zu reduzieren, ohne die eigentliche Ursache überhaupt zu kennen. Und dann passiert folgendes:
- Das Bedürfnis nach Ersatzbefriedigung erzeugt ein Potential, zu viel zu essen.
- Daraus entwickelt sich mit dem Übergewicht ein negativer Zustand, von dem ein negatives (abstoßendes) Potential ausgeht, eine Diät zu machen und dadurch die aufgenommene Energiemenge zu reduzieren.
In der Psyche entsteht ein Konflikt zweier gegensätzlicher Verhaltenseintriebe (Potentiale). Es entwickelt sich ein Kreislauf aus guten Vorsätzen und Versagen. Der Drang nach Ersatzbefriedigung sabotiert die Diät.
Wenn bisher in diesem Text von einem Potential die Rede war, dann meinte das vor allem ein positives Potential: Das Bewusstsein fühlt sich von einem Zustand angezogen, den es als attraktiv empfindet und zu dem es hin möchte und schenkt diesem Zustand dann seine Aufmerksamkeit.
Aber auch negative Zustände binden die Aufmerksamkeit an sich, denn sie möchten abgestellt werden. Das Problem "Übergewicht" bindet also die Aufmerksamkeit an sich und treibt das Verhalten "Diät" an. Die Lösung wäre eigentlich, die Aufmerksamkeit wieder dem natürlichen positiven Potential zuzuwenden. Das geschieht aber nicht, weil die Entstehung des Verhaltens nicht Teil des rationalen Modells der Realität ist. Stattdessen bleibt die Aufmerksamkeit auf das Übergewicht fixiert. Und nun beginnt sich die Wirkung der Aufmerksamkeit negativ zu entfalten: Die Nahrungsverwertung entwickelt sich auf eine Weise, die dem Ziel der Diät entgegenwirkt, weil die Aufmerksamkeit auf den negativen Zustand des Übergewichts fixiert bleibt, der eigentlich verlassen werden soll.
- Die Aufmerksamkeit lenkt den nicht gesetzmäßigen Verhaltensanteil im Stoffwechsel des Körpers in Richtung des Übergewichts. Der Stoffwechsel ist kein exakt gesetzmäßiges Verhalten wie ein Naturgesetz, weil der Körper ein super-komplexes System ist. Im Stoffwechsel des Körpers gibt es einen Spielraum: Die Energie aus der Nahrung kann mehr oder weniger in Richtung Übergewicht umgesetzt werden.
- Wenn sich dieser Prozess regelmäßig wiederholt, dann wird das vom Bewusstsein in Richtung Übergewicht gelenkte Stoffwechsel-Verhalten des Körpers zu einem gesetzmäßigen Verhalten und das bedeutet:
Das Gewicht des Körpers nimmt trotz immer geringerer Nahrungsaufnahme nicht ab oder es nimmt sogar noch zu!
Weil die Aufmerksamkeit auf den negativen Zustand fixiert bleibt, wirken der nicht gesetzmäßige Verhaltensanteil und die Entwicklung der Gesetzmäßigkeiten dem rationalen Vorhaben entgegen. Obwohl es der Psyche durch fortgesetzte Anstrengungen immer besser gelingt, mit der Nahrung weniger Energie aufzunehmen, nimmt das Gewicht dennoch nicht ab. Millionen oder vielleicht sogar Milliarden Menschen kennen den Effekt. Es gibt nicht wenige, die essen fast gar nichts mehr und nehmen dennoch nicht ab.
Wie jede körperliche Veränderung wird auch diese ab einem gewissen Umfang genetisch verankert und damit an die Folgegeneration weitergegeben. Aus Sicht der WIssenschaft sieht es dann so aus, als sei die Nahrungsverwertung, die Übergewicht begünstigt, "genetisch bedingt".
Anstrengungen zur Lösung eines Problems, ohne die tatsächliche Ursache zu kennen, werden als Aktionismus bezeichnet.
Aktionismus verstärkt die negativen Auswirkungen eines Problems immer weiter, weil die Aufmerksamkeit auf den negativen Zustand fixiert bleibt.
Wenn es so aussieht, als sei eine Diät erfolgreich gewesen, dann kann es auch sein, dass das Problem in andere Bereiche verschoben wurde: Eine Sucht wurde ohne es zu merken durch eine andere ersetzt oder es tritt eine Depression an die Stelle der Sucht.