Sündenfall

Der Verstand interpretiert die Welt gesetzmäßig. Für ihn existiert nur gesetzmäßiges Verhalten, weil er nur das kontrollieren kann. Alles, das nicht gesetzmäßig ist, sieht der Verstand als zufällig und damit grundsätzlich unkontrollierbar an. Das Bewusstsein hingegen erschafft aus nicht-gesetzmäßigem Verhalten Gesetzmäßigkeiten. Es fühlt sich von Zuständen angezogen, die über rein gesetzmäßiges Verhalten zunächst noch nicht erreichbar sind und die deshalb auch nicht bei jedem Versuch erreicht werden oder die sogar noch gar nicht erreichbar sind.

Der Verstand hat im Laufe der Evolution innerhalb der Psyche eine immer größere Kontrolle über das Verhalten erlangt. Er strebt nach einer möglichst vollständigen Kontrolle über das Verhalten, weil er sich irrtümlicherweise als fortschrittlichste Form der Verhaltenssteuerung ansieht. Wegen seiner Illusion, dass das ganze Universum rein rational kontrollierbar sei, sieht er auch keine Notwendigkeit für etwas anderes.

Wenn sich das Bewusstsein von einem Zustand angezogen fühlt und diesem eigentlich zustreben möchte, erstellt der Verstand eine eigene Zukunftsprojektion auf der Grundlage seines rationalen Modells der Realität, um die Erfolgsaussichten abzuschätzen. Diese Zukunftsprojektion fällt negativ aus, wenn der angestrebte Zustand nicht auf rationalem Wege erreichbar ist.

Der Verstand blockiert bis auf wenige Ausnahmen das auf das Bewusstsein wirkende Potential, weil die Erfolgsaussichten aus seiner Perspektive negativ sind.

Das auf das Bewusstsein wirkende Potential unterliegt keiner rationalen Kontrolle. Der Verstand kann es zwar blockieren, aber das bedeutet nicht, dass es dauerhaft weg ist. Es kommt immer wieder. Und jedes Mal, wenn es zurückkommt, erstellt der Verstand wieder seine negative Projektion und blockiert es erneut. Es bildet sich ein stetig wiederkehrender negativer Kreislauf mit vielen Wiederholungen und das bedeutet:

Wann immer das Potential entsteht und die Aufmerksamkeit auf sich zieht, lenkt der Verstand die Aufmerksamkeit auf seine rational basierte negative Zukunftsprojektion um. Anstelle des eigentlich angestrebten Zustandes bekommt die negative Zukunftsprojektion des Verstandes wieder und wieder die ganze Aufmerksamkeit.

Damit wird die negative Zukunftsprojektion des Verstandes immer wahrscheinlicher. Die Aufmerksamkeit verändert die Materie so, dass die negative Zukunftsprojektion immer wahrscheinlicher wird. Da die negative Zukunftsprojektion bedeutet, dass der Zustand nicht erreicht werden kann, von dem sich das Bewusstsein angezogen fühlt, wird das Erreichen dieses Zustandes gleichzeitig immer unwahrscheinlicher. Es bilden sich durch die Aufmerksamkeit auf der negativen Zukunftsprojektion ganz reale materielle Hürden heraus, die ein Erreichen des erstrebenswerten Zustandes immer unmöglicher machen, je öfter sich dieser Vorgang wiederholt.

Das ist das grundsätzliche Muster, wie der Verstand das Potential des Bewusstseins blockiert. Damit bringt er unbewusst, ohne es zu merken, negative Entwicklungen hervor, die ein Erreichen des vom Bewusstsein Angestrebten immer unmöglicher machen. Es handelt sich aber bei weitem nicht um das einzige Muster, durch das der Verstand unbewusst negative Wirkungen produziert. Bereits erwähnt wurde, wie der Verstand die Umsetzung seiner rein rationalen Verhaltensentscheidungen ohne Potential erzwingt, indem er ein negatives Potential erzeugt. (Siehe Kapitel Das Ich und die Welt) Darüber hinaus ist aber die Annahme von Zufall als solches eine Quelle zahlreicher negativer Zukunftsprojektionen, die nicht unmittelbar vom Auftreten eines Potentials initiiert werden:

Unser Leben als Menschen ist auf zahlreiche Voraussetzungen angewiesen, die nicht wir selbst hervorgebracht haben:

  • unser Körper mit all seinen "automatischen" Funktion wie Verdauung, Kreislauf, Atmung, Nervensystem usw.
  • das Ökosystem der Erde mit Klima, Wetter, Jahreszeiten, Atmosphäre usw.
  • die Gesamtheit aller Lebewesen als ein System von gegenseitigen Abhängigkeiten, bei dem die niederen Lebewesen aus anorganischen Stoffen organische Stoffe hervorbringen, auf denen die Existenz der höheren Lebewesen aufbaut

Die Wissenschaft nimmt an, dass das alles durch eine Mischung aus Zufall und Gesetzmäßigkeiten entstanden ist. Dass das wahrscheinlichkeitstheoretisch gar nicht möglich wäre, wurde bereits im Kapitel Entwicklung ausgeführt. Ein System, das tatsächlich auf dem Zufall aufbaut, hätte keine dauerhafte Existenz. Zufälliges Verhalten führt zu negativen Entwicklungen, weil deren Wahrscheinlichkeit unvorstellbar viel größer ist als die zufälliger positiver Entwicklungen. Ein System, das auf Zufall basiert, würde innerhalb kürzester Zeit durch eine Vielzahl an negativen Entwicklungen zerstört. Unbewusst und intuitiv weiß das auch der Verstand. Deshalb erwachsen aus seinem rationalen Modell der Realität eine Vielzahl an negativen Zukunftsprojektionen die Grundlagen unserer Existenz betreffend.

Das ist einer jener Widersprüche, die sich der Verstand nicht bewusst macht, weil das seine Illusion sofort auflösen würde: Einerseits glaubt der Verstand daran, dass unser ganzes unglaubliches Lebensumfeld zufällig entstanden sei, andererseits produziert genau der Glauben an den Zufall zahlreiche negative Zukunftsprojektionen, die zeigen, was Zufall wirklich bewirken würde, wenn er tatsächlich die Grundlage unserer Existenz wäre.

Der Verstand hält seine negativen Zukunftsprojektionen, die Grundlage unserer Existenz betreffend, für real und versucht, die angenommenen negativen Entwicklungen abzuwenden. Auf diese Weise entsteht Aktionismus. Aktionismus ist ein Verhalten, von dem angenommen wird, dass es ein Problem löst, dessen tatsächliche Ursache aber nicht gesehen wird. In vielen Fällen existiert gar kein reales Problem, sondern es gibt nur eine falsche negative Zukunftsprojektion. Genauer gesagt gibt es zwei Formen von Aktionismus:

  • ein reales Problem, dessen tatsächliche Ursache und Lösung nicht gesehen werden, führt zu Aktionismus auf der Grundlage einer Scheinlösung
  • eine negative Zukunftsprojektion erschafft ein Scheinproblem, das real gar nicht existiert und das bringt dann Aktionismus hervor

Aktionismus erzeugt die Illusion einer Lösung und blockiert dadurch die tatsächliche Lösung.

  • Eine negative Zukunftsprojektion, die zu Aktionismus führt, bringt eine reale negative Entwicklung hervor. Die negative Vision materialisiert sich durch die Wirkung der Aufmerksamkeit des Bewusstseins.
  • Bei einem realen Problem, das durch Aktionismus bekämpft wird, werden die negativen Auswirkungen des Problems durch den Aktionismus zusätzlich verstärkt.
nächstes Kapitel: Erfüllung