Rationale Illusionen
Die Verhaltenssteuerung des rationalen Verstandes basiert auf der Anwendung von Gesetzmäßigkeiten. Was gesetzmäßig ist, kann der Verstand kontrollieren, was nicht gesetzmäßig ist, kann er nicht kontrollieren. Um nicht mit der Begrenztheit seiner Arbeitsweise konfrontiert zu werden, reduziert der Verstand die Realität kurzerhand auf das, was er kontrollieren kann: Materie und ihre Gesetzmäßigkeiten. Er baut sein rationales Modell der Realität unbewusst so auf, dass Rationalität als einzige notwendige und auch einzige mögliche Erkenntnismethode erscheint. Was rational nicht kontrollierbar ist, wird dem Zufall untergeschoben und ist damit per se nicht kontrollierbar, also weder rational noch sonst irgendwie. Auf diese Weise erschafft sich der Verstand unbewusst die Illusion, das ganze Universum sei rein rational kontrollierbar. (Tatsächlich verfügt die menschliche Psyche über Erkenntnisfunktionen, die weit über Rationalität hinausgehen. Diese zu verstehen und praktisch einsetzen zu können, ist das eigentliche Ziel dieses Textes.)
Die Illusion, das ganze Universum rein rational kontrollieren zu können, gibt dem Verstand ein Gefühl von Macht und Kontrolle, so wie es auch echte Erkenntnis tun würde. Der Verstand ist auf der gegenwärtigen Stufe seiner Entwicklung nicht bereit anzuerkennen, dass diese Kontrolle in vielen Bereichen real gar nicht existiert. Deshalb erscheint dem Verstand auch alles, das seine Illusionen ins Wanken bringt, wie das Gegenteil von Erkenntnis, weil es ihn mit Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit konfrontiert. Tatsächlich wären genau diese Gefühle der Schlüssel, um die vom Verstand unterdrückten nicht-rationalen Teile der Psyche wieder zum Leben zu erwecken. (Dazu später mehr)
Wissenschaft ist die höchste Ausprägung eines rein rationalen Erkenntnisprinzips. Sie lässt sich in 3 Berteiche unterteilen:
- Die Naturgesetze bilden den Ursprung der heutigen Wissenschaft und ihres Denkens. Sie ermöglichen dem Verstand eine (nahezu) vollständige Kontrolle über das elementare Verhalten der Materie. Auf ihrer Grundlage erschafft der Verstand Technologie und hat damit zweifellos einen riesigen Fortschritt erzielt. Naturgesetze lassen sich perfekt wissenschaftlich beweisen, weil sie sich vollständig im Wahrnehmungsbereich der 5 Sinne abspielen. Der große Fortschritt durch die Technologie und die klare, eindeutige wissenschaftliche Beweisbarkeit der Naturgesetze haben den Verstand glauben lassen, dass das die einzige Form der Wahrheitsfindung sei und sein dürfe. Dabei blendet der Verstand aus, dass er gar nicht alle Bereiche der Realität auf diese Weise erfassen und kontrollieren kann. Beim Versuch, auch diese anderen Bereiche der Realität auf die gleiche Weise zu kontrollieren, wechselt er unbewusst zu einem völlig anderen Vorgehen und redet sich dabei ein, es sei immer noch dasselbe. So entstehen die anderen beiden Bereiche der Wissenschaft:
- Als Statistik-Wissenschaft bezeichne ich jenen Teil der Wissenschaft, der mit Hilfe der Statistik die Gesetzmäßigkeiten super-komplexer Systeme zu erfassen versucht. Beim Versuch, diese Gesetzmäßigkeiten genauso anzuwenden wie die Naturgesetze, kommt es dann aber zu einer Reihe von Problemen, die der Verstand entweder gar nicht sehen will oder Scheinursachen unterschiebt, die natürlich nichts mit den Defiziten seiner Erkenntnismethode zu tun haben. (Dazu gleich mehr nach Vervollständigung dieser Aufzählung.)
- Erklärende Theorien wie die Evolutionstheorie, die Chaostheorie oder die Urknalltheorie sollen das rationale Weltbild vervollständigen. Aber diese Theorien stellen keine Erkenntnis dar, weil sie keinen praktischen Nutzen bieten. Sie befriedigen lediglich das rationale Bedürfnis nach Erklärungen und sind ein wesentlicher Baustein der rationalen Illusionsbildung. Die Evolutionstheorie zum Beispiel soll erklären, wie nur aus Materie, Gesetzmäßigkeiten und Zufall (den Grundkomponenten des wissenschaftlichen Weltbildes) das Leben entstehen konnte. Naturgesetze haben die Technologie ermöglicht, aber welchen Fortschritt hat die Evolutionstheorie hervorgebracht? Wenn die Evolution auf zufälligen Mutationen der Gene aufbaut, dann bedeutet das, dass der Mensch keine Kontrolle über die Evolution hat, denn Zufall bedeutet fehlende Kontrolle (und Unwissenheit). Die Wissenschaft blendet das aus, indem sie sich der Illusion hingibt, der Mensch würde in naher Zukunft seine Gene einfach selbst "reparieren". Tatsächlich wird das aber niemals funktionieren, weil die genetischen Änderungen eben nicht zufällig geschehen, sondern vom Menschen selbst unbewusst beeinflusst werden. Die verborgene Ursache wird immer weiter negative Wirkungen hervorbringen, egal wieviel der Mensch an seinen Genen herumbastelt. Die Evolutionstheorie ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Verstand seine Illusionen aufbaut. Deshalb werden sich die beiden folgenden Kapitel ausführlich damit beschäftigen. Doch zunächst noch einmal zurück zur Statistik Wissenschaft:
Wenn die Wissenschaft versucht, ihre statistisch erfassten Gesetzmäßigkeiten super-komplexer Systeme anzuwenden, kommt es immer wieder zu 2 Problemen:
- Menschen tun sich irgendwie schwer, die Vorgaben der Wissenschaft umzusetzen.
- Viele Vorhaben erreichen niemals ihr Ziel. Beispiele sind auf individueller Ebene Diäten zum Abnehmen und auf globaler Ebene die Lösung der Klimakrise.
Die Wissenschaft schiebt die Probleme auf die Unfähigkeit und Unwilligkeit des Menschen, wissenschaftliche Vorgaben umzusetzen. Tatsächlich gibt es aber dafür Gründe, die das wissenschaftliche Weltbild einfach nicht erfasst, weil es eben unvollständig ist.
Der Verstand hat den Anspruch einer vollständig rationalen Verhaltenskontrolle: Die Wissenschaft ermittelt die Gesetzmäßigkeiten der Materie und die Psyche hat sie wie ein Computer anzuwenden. Tatsächlich aber entsteht das Verhalten des Menschen genau wie das aller anderen Lebewesen auf eine vollkommen andere Weise. Die Wissenschaft kann die Entstehung des Verhaltens im Inneren der Psyche nicht erfassen, weil sie sich auf die äußere Sinneswahrnehmung beschränkt und innerpsychische Wahrnehmungen als unwissenschaftlich abwertet.
Die Entstehung des Verhaltens im Inneren der Psyche erklärt
- warum rationale Verhaltensvorgaben so oft nicht umgesetzt werden können
- warum sich die Gesetzmäßigkeiten super-komplexer Systeme im Laufe ihrer Anwendung ändern
- wie die Gesetzmäßigkeiten super-komplexer Systeme überhaupt entstehen
- wie sich Krisen und Probleme tatsächlich wirksam lösen lassen
- wie Evolution funktioniert (zufällig jedenfalls nicht)
- wie sich der Verstand sinnvoll in das Ganze einordnet, wenn er sich nicht selbst für das Ganze hält